Mehr über The Broken Pitcher

Das Gemeinschaftsprojekt The Broken Pitcher von Natascha Sadr Haghighian, Marina Christodoulidou und Peter Eramian, das die Auswirkungen von Finanzialisierung und Austerität nachzeichnet, befasst sich mit einem konkreten Fall: Ein Treffen bei einer Bank, bei dem über die Zwangsversteigerung eines Familienhauses in Larnaka, Zypern, im Jahr 2019 verhandelt wird. Die Zwangsvollstreckung ist eine der Sparmaßnahmen, die der zyprischen Regierung von der Troika (der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds) nach der Finanzkrise 2012 auferlegt wurden.

The Broken Pitcher verhandelt die Frage, wie das Finanzsystem funktioniert und wie man in dessen Abläufe eingreifen und diese verändern könnte. Das Projekt besteht aus einem maßstabsgetreuen Modell des Bankraums, das gleichermaßen als Ausstellungsraum wie auch als Kulisse für einen 70-minütigen Film fungiert, der die Szene rekonstruiert. Inspiriert von Abbas Kiarostamis Film First Case – Second Case (1979, Iran) wurde die Situation in der Bank mit Schauspieler:innen nachgestellt und gefilmt. Die Szene endet mit der Frage: Was sollten die Bankangestellten Ihrer Meinung nach tun? Im zweiten Teil des Films sieht man, wie verschiedene Personen auf diese Frage reagieren. Ihre Antworten spiegeln die Perspektiven unterschiedlicher Interessengruppen in Zypern, von Mietaktivist:innen in Barcelona, Berlin und Beirut, von Menschen, die Ähnliches erlebt haben sowie von Anwält:innen, Ökonom:innen und Künstler:innen.

Ein Hauptaugenmerk des Projekts liegt auf Kollaboration als kollektiver Praxis. Im Zentrum des Entstehungsprozesses standen seit 2020 Zusammenkünfte und Workshops, die sich der Suche nach Strukturen und Formen von Zusammenarbeit widmeten, die den Kontext von Zwangsversteigerungen in Bezug auf Schulden, Austerität, Finanzialisierung und Kolonialität untersuchten, sowie der daraus resultierenden Isolation und Verzweiflung entgegenwirken wollten. Die Besprechung in den Räumlichkeiten der Bank wurde anhand von Gedächtnisprotokollen der betroffenen Familie und deren Anwalt in Szene gesetzt. In einem Workshop des selbstorganisierten Kunstraums Thkio Ppalies in Nikosia entstand ein Konzept für das BesprechungszimmerSet, bei dem sich verschiedene Künstler:innen jeweils einzelnen Aspekten des Raums widmeten. Statt als bloße Requisiten zu fungieren, sind diese Objekte eigenständige Kunstwerke. Sie bezeugen die Besprechung in der Bank und eröffnen das Potential, einen anderen Hergang zu imaginieren.

Den Dialog haben Schauspieler:innen in einer gefilmten Improvisation rekonstruiert. Die Auswahl der anschließend zu dieser Szene befragten Personen erfolgte im Austausch innerhalb verschiedener Communities und basiert auf persönlichen Kontakten, Freundschaften und Expertisen. Die Vorführungen auf öffentlichen Plätzen in Zypern und eine erste Präsentation im Thkio Ppalies im Mai 2022 mündeten oft in ausgedehnten Diskussionen mit den Anwohner:innen in den jeweiligen Nachbarschaften.